Alpi Orobie (Bergamasker Alpen)

Schroffe Gipfel, tiefe Täler und ein Paradies für Steinböcke

(Juni / Juli 2021)

Die Bergamasker Alpen (auf italienisch zumeist als Alpi Orobie bezeichnet) sind eine Gebirgsgruppe südlich des Alpenhauptkamms in der Region Lombardei. Sie erstrecken sich grob zwischen dem Lago di Como im Westen und dem Lago d‘Iseo im Osten. Nach Norden werden sie vom tiefen Talbecken des Veltlin begrenzt. Nach Süden laufen die Berge bei Bergamo allmählich in die weite Poebene aus. Die tief eingeschnittenen Täler des Valle Brembana und des Valle Seriana ermöglichen von Süden den Zugang zur schroffen Hauptkette, die Höhen von knapp über 3000 m erreicht. Höchster Gipfel ist der Pizzo di Coca mit 3052 m. Während der Hauptkamm überwiegend aus kristallinen Gesteinen besteht, sind nach Süden einige eindrucksvolle Kalkmassive (Presolana mit 2521 m, Pizzo Arera mit 2512 und die oft als eigenständiges Massiv betrachtete Grigne am Comer See mit 2410 m) vorgelagert. In einem Großteil der Region ist die Sektion Bergamo des Italienischen Alpenvereins CAI für die Unterhaltung des Wegenetzes zuständig und unterhält zahlreiche gut geführte Berghütten. Aufgrund der teilweise sehr steilen Berghänge sind zahlreiche Wegabschnitte im Bereich des Hauptkammes anspruchsvoll und sollten nur von erfahrenen Bergwanderern in Angriff genommen werden. Die meisten hohen Gipfel sind nicht über ausgebaute Wege sondern nur auf alpinen Routen zu erreichen.

Eine Besonderheit auf unserer Tour waren die zahlreichen und teilweise wenig Scheu zeigenden Alpensteinböcke.

Allgemeine Informationen

Beste Reisezeit

Ende Juni bis Mitte Oktober

Bis in den Juli ist in den Hochlagen mit (steilen) Schneefeldern zu rechnen. Zwei Etappen des Annello Orobie (Rif. Coca – Rif. Brunone – Rif. Calvi) haben wir daher Ende Juni umgangen.

 

Schwierigkeit

Zumeist schmale und recht gut markierte Pfade und Steige mit mittlerem Schwierigkeitsgrad. Mehrere Wegabschnitte (insbesondere der Weg 330 zwischen Rif. Coca und Rif. Brunone aber auch der Weg 303 zwischen Rif. Curò und Rif. Coca) verlaufen aber auch auf längeren Abschnitten durch sehr steile Berghänge mit zahlreichen, teilweise durch Ketten gesicherte ausgesetzten Passagen. Insgesamt gehört die Tour insbesondere mit schwerem Rucksack zu den anspruchsvolleren Mehrtagestouren!

 

Verkehrsanbindung

Die Täler sind recht gut durch Busverbindungen mit Bergamo erschlossen. Die Busse fahren jedoch nicht sehr häufig und die meisten Talorte liegen sehr tief, sodass lange Auf- und Abstiege erforderlich sind.

Zum Startpunkt unserer Tour gelangt man von Bergamo mit der Tram nach Albino und von dort mit dem Bus bis Bratto am Fuß des Presolana-Massivs.

Der Endpunkt unseres Trekkings war das Städtchen Sondrio im tief eingeschnittenen Tal des Veltlin mit sehr guter Bahnverbindung über Lecco am Comer See nach Bergamo und Mailand.

 

Unterkünfte

Entlang der Hauptwanderwege (z.B. Sentiero Orobie Orientali) gibt es in regelmäßigen Abständen einer Tagesetappe gut geführte Berghütten (Rifugios) der Sektion Bergamo des CAI. Die von uns genutzten sind in den Etappenbeschreibungen erwähnt. Ansonsten haben wir gezeltet oder am Ende der Tour noch zwei sehr schöne Biwackhütten genutzt.

 

Literatur

Ein wirklich nützlicher Wanderführer in deutscher oder englischer Sprache ist mir für die Region nicht bekannt.

 

Karten

  • Alpi Orobie Bergamasche; Kompass Wanderkarte 104; 1:50.000; ausreichend für die Planung, aufgrund des großen Maßstabs und einiger Ungenauigkeiten bei der Darstellung und Klassifizierung der Wege unterwegs aber nur eingeschränkt hilfreich.

  • Es empfiehlt sich zusätzlich, eine Karten-App mit Offline-Modus (z.B. Maps.Me) auf sein Smartphone zu laden und die Karte der Region vor den Wanderungen zu installieren.

 

Links

  • Bergamasker Alpen/Orobische Alpen: einige nützliche Informationen zum Hauptfernwanderweg der Region auf der Seite des DAV

  • Portale geografico CAI Bergamo: Sehr informative Seite der Sektion Bergamo des Italienischen Alpenvereins u.a. mit detaillierter Karte und Beschreibung aller markierter Wanderwege (leider nur italienisch)

  • Trekking Orobie: Viele Informationen zum Wandern und zu Unterkünften rund um das zentrale Valle Brembana

In 13 Tagen durch den zentralen Teil der Alpi Orobie

1. Bratto – Rifugio Olmo (3-4 Stunden)

Wir verlassen den Bus von Albino an der großen Kirche von Bratto (ca. 1000 m) und brechen um die Mittagszeit auf. Zunächst geht es auf Asphalt an den oberen Ortsrand von Bratto, wo ein schmaler Pfad entlang einer Wasserleitung ins Valle del Papa beginnt. Nach steilem Anstieg im Wald erreicht man auf dem Weg Nr.25 die Malga Cornetto. Von hier geht es auf flachem Fahrweg zur Baita Cornett mit schöner Aussicht (bei unserer Tour an einem Sonntag viel besucht, aber nicht bewirtschaftet). Hinter dem Gebäude steil den Hang hinauf, dann nach rechts um den Bergrücken herum sanfter ansteigend mit schönen Blicken auf das Kalkmassiv der Presolana zum Colle de la Presolana (1792 m). Unter Felswänden und durch Schutthänge quert man auf dem Weg 315A nun durch das obere Valle die Mulini und überschreitet einen Sattel am Pizzo Olone. Von hier geht es in einer Viertelstunde hinab zum Rifugio Olmo (1819 m). Da es auch Ende Juni nicht durchgehend bewirtschaftet ist (Voranmeldung ist wichtig!), steigen wir noch etwas weiter ab, bis wir unterhalb einen geeigneten Zeltplatz finden.

2. Rifugio Olmo – Laghetto Spigorel (6 Stunden)

Wir folgen dem Weg 320 talwärts, halten uns an der Wegegabelung rechts und kommen bald zur wunderbar am Waldrand gelegenen Baita Bruseda (1498 m) mit fließendem Wasser (Brunnen vor dem Haus) und frei zugänglichem Vorraum, wo wir auch hätten nächtigen können. Durch Wald geht es nun weitgehend Höhe haltend auf dem Weg 311A in das Tal des Torrente Ogna. Wir queren den breiten Bach und stoßen auf den Weg 311, dem wir im grasigen Südhang des Monte Zuccone talaufwärts folgen. Gegenüber erheben sich die eindrucksvollen Nordwände der Presolana. Kurz vor der Passhöhe halten wir uns links zur Cima Verde, in deren Nähe wir auf den Sentiero Orobie Orientali (401) treffen. Wir folgen dem Kammweg mit weiten Blicken in nördlicher Richtung vorbei an der Bergstation der Skilifte an der Cima Clanca und dem Chalet del Aquila (bewirtschaftet nur im Winter). Dann erhebt sich vor uns der Felsgipfel des Monte Ferrante (2427 m), den wir an seiner Ostflanke passieren. Hier halten sich bis in den Sommer steile Schneefelder, deren Umgehung oder Querung für nicht Geübte sehr unangenehm sein kann. Von hier verläuft der Pfad zunächst ohne Schwierigkeiten auf oder am breiten Bergrücken. Kurz nach dem Pizzo di Petto (2236 m) gilt es eine mit einer Kette gesicherte Steilstufe abzuklettern, bevor uns der Pfad durch den Hang hinab zum Abzweig zum Laghetto Spigorel führt. Wir wandern durch das breite Tal etwa 15 min abwärts, bis der kleine See (1822 m) in einer Bilderbuchlandschaft vor uns liegt. An seiner Südseite bauen wir unweit des Weges auf einem kleinen ebenen Wiesenstück unser Zelt auf.

3. Laghetto Spigorel – Rifugio Curò

Wir kehren zurück auf den Hauptwanderweg 401 und steigen allmählich zum Wiesensattel am Monte Sponda Vaga mit seinen Liftanlagen an. Danach verliert der Sentiero Orobie Orientale etwas an Höhe und quert am Hang mit schönen Blicken hinab nach Lizzola und der dahinter aufragenden Hauptkette der Alpi Orobi zum Passo della Manina (1821 m). Nun folgt der lange Abstieg auf teilweise etwas vagem Pfad 304 durch die steilen Gras- und Buschhänge des Monte Sasna zum rauschenden Torrente Bondione, der auf einer Holzbrücke überquert wird. Dann gilt es noch einmal etwa 300 Höhenmeter zum Passo delle Miniere (1952 m) zu überwinden. Nach kurzem steilen Abstieg verläuft der Pfad am Hang entlang, wobei einige Felsriegel und Bacheinschnitte kurze Kraxeleien erfordern. Schließlich mündet unsere Route in den von Bondione heraufkommenden, deutlich breiteren Zugangsweg zum Rifugio Curò (1915 m) ein. Dieser führt nun teilweise spektakulär in die Steilwand gesprengt zum großen Stausee mit der großen Berghütte und dem zugehörigen hotelartigen Ostello. Hier genießen wir den Komfort des Zimmers mit eigenem, modernen Bad und die hervorragende Küche beim abendlichen Menu. Vorher sollte man jedoch auf kenen Fall den Spaziergang zur steilen Betonmauer des Stausees verpassen, an der regelmäßig Steinböcke artistisch weit emporklettern, um austretendes Salz abzulecken.

4. Tagestour vom Rifugio Curò zu den Laghetti della Cerviera und zum Lago Barbellino naturale

Vom Rifugio Curò bieten sich zahlreiche Ausflüge an. Im Val Cerviera (Weg 321) liegen auf einem Plateau mehrere kleine Seen, die Ende Juni noch weitgehend vereist waren, während ein nördlich gelegener Grasbuckel eine beeindruckende Rundschau über das Valbondione und die höchsten Gipfel der Bergamasker Alpen bietet. Der viel begangene Weg 308 führt entlang des Barbellino-Stausees in das Hochtal, in das sich der natürliche Lago di Barbellino mit seiner einfachen Berghütte schmiegt.

5. Rifugio Curò – Rifugio Coca (4-5 Stunden)

Vom Rifugio gehen wir am Südufer des Sees zur Staumauer. Von hier steigen wir zum unteren, kleineren Stausee hinab und passieren ihn auf dem Weg 303 an seiner Nordseite. Kurz darauf queren wir den kräftigen Bach, der aus dem Valmorta herabströmt. Jetzt beginnt der lange Anstieg in mäßig steilen Serpentinen duch den zumeist grasigen Hang zum Rücken der Sponda Arsena. Hier beginnt die teilweise mit Stahlketten gesicherte und etwas ausgesetzte Querung durch den steilen Hang zum einem weiteren Rücken, der im markanten Felsgipfel des Il Corno endet. Am Sattel wird unter uns bereits das Rifugio Coca sichtbar, zu dem der Weg nun deutlich angenehmer hinabführt. Wir entschließen uns auf einem ebenenWiesenstück oberhalb der Berghütte das Zelt aufzubauen. Anschließend machen wir einen Spaziergang zum oberhalb gelegenen, noch von großen Schneefeldern umgebenen Lago di Coca, der von den höchsten Gipfeln der Alpi Orobie eingerahmt wird. Auf dem Rückweg machen wir einen Umweg über das wie ein Adlerhorst an einer Steilkante errichtete Rifugio Coca, wo wir auf einen Cappuccino und ein Stück Kuchen einkehren. Als wir wieder zum Zelt aufsteigen können wir sowohl Gämsen als auch Steinböcke aus großer Nähe beobachten. Am Abend finden wir erst in den Schlaf, nachdem ein heftiges Gewitter über uns hinweggezogen ist.

6. Rifugio Coca – Valle Secreti unterhalb des Rifugio Brunone (7 Stunden)

Aufgrund der ausgedehnten Schneefelder im Talkessel des Lago di Coca erscheint uns die obere Normalroute des Sentiero Orobie Orientali über den Pass Ol Simal (2712 m) zu gewagt. So entscheiden wir uns für die untere Alternative auf dem Weg 330, sind uns aber nicht im Klaren, dass uns die anspruchsvollste Etappe der Tour bevorsteht. Knapp oberhalb des Rifugio Coca schwenken wir auf den schmalen, aber zunächst unschwierigen Pfad ein. Er verliert bald etwas an Höhe und verläuft dann stets etwas unterhalb der 2000 m Höhenlinie durch den äußerst steilen Hang. Häufig gilt es ausgesetzte Stellen und Felsstufen mit Hilfe von Sicherungen zu überwinden. Mit schwerem Gepäck ist das etwas mühsam, doch bis zur Einmündung des aus dem Tal heraufkommenden Weges 331 kommen wir noch recht zügig voran. Danach ist die Route deutlich schlechter unterhalten, der Verlauf ist teilweise vage und die Sicherungen hören fast ganz auf. Immer wieder schiebt sich ein neuer Rücken ins Blickfeld, den es in stetem Auf und Ab zu überqueren gilt. Mit einsetzender Müdigkeit ist im extrem abschüssigen Hang große Vorsicht erforderlich. Als der Weg nach einem letzten Sporn (etwa 2100 m) nach Norden schwenkt, kommt hoch am vor uns liegenden Hang das Rifugio Brunone in Sicht. Da die Schneelage auf der nächsten Etappe am Passo di Valsecca Probleme erwarten lässt, ändern wir unsere Pläne für die nächsten Tage. Als der Pfad seinen tiefsten Punkt im Valle Secreti erreicht, steigen wir weglos zu einer Geländestufe mit einigen ebenen Wiesenflächen ab und suchen uns nahe des kräftigen Bergbaches einen schönen Zeltplatz.

7. Valle Secreti – Laghetti di Cardeto (6 Stunden)

Ganz in der Nähe unseres Zeltplatzes verläuft der viel begangene Aufstiegsweg 227 zum Rifugio Brunone. Auf diesem wandern wir ohne Schwierigkeiten talwärts, lediglich an kurzen gut gesicherten Felspassagen ist etwas Vorsicht erforderlich. Auf einer Brücke wechseln wir an das Westufer des Fiume Nero und erreichen auf einem Forstweg den Weiler Fiumenero und die Straße im Tal des Serio. Wir gehen auf der Straße einen knappen Kilometer bergab und kommen in den Ort Gromo San Martino. In der Bar Trota stärken wir uns mit leckeren Panini. Nach einigen weiteren Minuten auf der Straße zweigen wir rechts ab und steigen vorbei an einigen Wohn- und alten Bauernhäusern zum Waldrand an. Auf dem steilen, aber zügig zu gehenden Waldweg 261 steigen wir nahezu 1000 Höhenmeter zu den Wiesenplateaus hinauf, in denen die idyllischen Laghetti di Cardetto liegen. Am Lago Basso schlagen wir das Zelt auf, nachdem die letzten Tagesbesucher ins Tal aufgebrochen sind.

8. Laghetti di Cardeto – Lago Valrossa (5 Stunden; Gipfel Monte Madonnino zus. 1,5 Stunden)

Zunächst geht es zu den jeweils eine kleine Geländestufe höher gelegenen weiteren Seen der Laghetti di Cardeto. Vom Lago Alto querren wir durch hügelige Bergwiesen oberhalb des Rifugio Baita Cardet zum Weg 233 der mäßig steil geradlinig zum Passo di Portula (2278 m) hinaufzieht. An der Passhöhe halten wir uns auf dem Weg 230 in südlicher Richtung und kommen über ausgedehnte, aber nur schwach geneigte Schneefelder an den Gipfelaufbau des Monte Madonnino. Ich folge hier ohne den großen Rucksack den vereinzelten Steinmännchen, die eine vage Wegspur durch die Steile Nordostflanke auf den 2501 m hohen, aussichtsreichen Gipfel markieren. Am höchsten Punkt treffe ich auf zahlreiche Bergwanderer, die über die wesentlich einfachere, aber in der Kompass-Karte nicht verzeichnete Südost-Route herauf gekommen sind. Ich muss auf dem Aufstiegsweg wieder zu meinem Rucksack und zu Reimar hinunter kraxeln. Der Weiterweg durch den steilen Osthang ist glücklicherweise schneefrei und so erreichen wir nach kurzem Gegenanstieg die recht viel begangene Hauptroute auf den Monte Madonnino. Auf dem Grat der Costa d‘Agnone geht es nun ohne Probleme abwärts zur teilweise sichtbaren Gruppe der Stauseen, die sich in die steilen Taleinschnitte schmiegen. Als erstes erreichen wir den Lago Cernello. Wir überqueren die Staumauer, erklimmen über bequem angelegte Stufen eine Felsstufe und kommen wenig später zum Lago Campelli Basso, den wir an seiner Südseite passieren. Über einen Höhenrücken und durch wilde Felslandschaft steuern wir zunächst das Nordende des Lago Nero und dann die Staumauer des Lago d‘Aviasco an. Wir folgen dem Weg 229 an seinem Nordufer, doch zweigen schon nach wenigen Minuten auf einen Pfad ab, der uns nach Norden zum wenige Meter höher gelegenen kleinen Lago Valrossa bringt. Schon hier gibt es Möglichkeiten zum Zelten. Wir entscheiden uns jedoch, noch ein kleines Stück weiter zu einem kleinen unbenannten See aufzusteigen, der auf seinen Wiesenflächen am Ufer einen schönen Zeltplatz bietet. Beim Aufstieg kommt man zudem zu einer gefassten Quelle mit klarem Wasser direkt am Weg.

9. Lago Valrossa – Rifugio Laghi Gemelli (3-4 Stunden)

Wir kehren zum Lago d‘Aviasco zurück und folgen dem Weg 229 nach Westen: Am Ende des Sees beginnt an der Alm Baita d‘Aviasco der Anstieg zum Passo d‘Aviasco (2301 m). Danach geht es weiter in westlicher Richtung hinab in das langezogene Tal, in dem der Lago Colombo liegt. Wir Steigen zum Stausee hinab, folgen seinem Nordufer bis zur Staumauer und überqueren diese. Nun bringt uns ein sehr gut ausgebauter Weg zu den Laghi Gemelli, wo wir jenseits des Staudamms das große Rifugio Laghi Gemelli (1968 m) erreichen. Das Haus ist teilweise etwas in die Jahre gekommen und verströmt altes Hüttenflair, aber der Empfang ist freundlich und das Abendessen gut und sehr reichhaltig.

Am Nachmittag bietet sich noch eine Runde um den See und zum Passo dei Laghi Gemelli (2139 m) mit seiner schönen Aussicht an.

10. Rifugio Laghi Gemelli – Carona (3-4 Stunden; Gipfel Pizzo del Becco zzgl. 2-3 Stunden)

Vor dem Abstieg nach Carona lockt mich noch die Besteigung des Pizzo del Becco mit seiner nicht besonders langen und für Geübte gut zu bewältigenden Klettersteigpassage. Wir kehren zur Staumauer des Lago Colombo zurück, an deren Nordseite der ausgeschilderte Anstieg zum Pizzo del Becco beginnt. Zunächst steigt der Pfad durch Wiesen- und Blockhänge unschwierig zum Fuß einer Felswand an. Hier begegnen wir einem zutraulichen Steinbockrudel, das Reimar bei der Wartezeit Gesellschaft leistet, da er auf die Klettertour verzichtet. An einer soliden Kettensicherung erklimme ich eine Felsstufe durch einen kaminartigen Einschnitt. Auch danach leitn mich noch Sicherungen durch den steile Hang. Am Sattel angekommen wird das Fortkommen leichter und nur auf den letzten Metern zum großen Gipfelkreuz des Pizzo del Becco (2506 m) muss ich noch einmal die Hände zu Hilfe nehmen, bevor ich den Ausblick genießen kann. Auf demselben Weg kehre ich zu Reimar und den Steinböcken zurück. Von der Staumauer des Lago Colombo wandern wir auf dem Weg 250 talwärts zum Lago Becco, wo der Abstieg auf steilen Waldwegen nach Carona beginnt. Dabei lohnt sich ein kurzer Abstecher am Abzweig des Weges 213, der bald gut gesichert spektakulär durch einen senkrechten Felshang verläuft und dabei auch einen kurzen, stark gekrümmten Tunnel führt. Zurück auf dem Weg 211 setzen wir den ermüdenden Abstieg fort, bis wir den See von Carona erreichen, über dessen Staumauer wir in das beschauliche Ortszentrum gelangen. Da das Albergo Carone Ruhetag hat, nehmen wir ein Zimmer in der Locanda dei Cantu. Die Pizza am Abend und das Frühstück am nächsten Morgen lassen keine Wünsche offen.

11. Carona – Bivacco Pedrinelli (4-5 Stunden)

Nachdem wir in einem der beiden kleinen, aber gut sortierten Lebensmittelläden an der Hauptstraße von Carona unseren Proviant für die letzten Tage aufgefüllt haben, verlassen wir den Ort auf dem Fahrweg, der vorbei am alten Wasserkraftwerk und dem Botanischen Garten talaufwärts führt und bald in die Straße in Richtung Rifugio Fratelli Calvi mündet. Durch den malerischen Weiler Pagliari kommen wir zum Wasserfall der Cascata della Val Sambuzza. Wenig später verlassen wir die Straße vor einer Rechtskurve un zweichen auf den Waldweg ab, der links in angenehmer Steigung den Hang hinaufführt. Wir queren wenig später eine große Wiesenlichtung, kommen zu alten Steinhäusern und erreichen schließlich an der Alm Baitone di Valle Sambuzza den am Hang entlangführenden Sentiero delle Orobie occidentali, dem wir leicht amnsteigend nach Norden folgen. Schon bald verlassen wir ihn erneut und biegen auf dem Weg 209 in das Valle Sambuzza ab. In stetigem Anstieg geht es das idyllische Hochtal hinauf. Auf einer Brücke queren wir den Auslauf des Lago di Valle Sambuzza, überwinden auf dem Hauptweg bleibend eine Geländestufe und erreichen nach einigen Kehren das knapp unterhalb der Passhöhe des Passo di Publino gelegene Bivacco Pedrinelli (2353 m) in dem Moment, als heftiger Regen einsetzt. Die unbewirtschaftete Biwackhütte entstand durch private Initiative aus einem verfallenen Militärgebäude. Sie bietet einen einzigen Raum mit Tisch, einfacher Kücheneinrichtung und Matratzen auf Pritschen für etwa 8 Personen.

12. Bivacco Pedrinelli – Bivacco Facetti (5 Stunden)

Für den Übergang auf die Nordseite des Passo di Publino muss man vom Sattel dem Pfad noch etwas nach Osten bergan folgen. Am Beginn des Abstiegs zwingen uns einige Schneefelder noch zu einem kleinen weglosen Umweg durch den Hang. Doch dann ist der Weg hinab zum Lago di Publino unproblematisch. Die Wegführung über die Staumauer ist etwas unübersichtlich, der weitere Weg dann durch offenes Gelände mit schöner Aussicht ins Valle del Livrio umso schöner. Nachdem wir einen steileren Abstieg hinter uns gebracht haben, treffen wir auf einen herrlich angenehmen Weg, der auf einer abgedeckten Wasserleitung völlig eben durch den steilen Hang verläuft. Waldpassagen, Lichtungen und schließlich auch einige enge Tunnel machen die Strecke sehr abwechslungsreich. Am Ende der Wasserleitung steigen wir kurz steil zum Lago della Casera herauf. Das dort in der Karte verzeichnete Bivacco ist verschlossen, sodass wir über einen kleinen Bergrücken noch zum Lago delle Zocche weiterwandern. Knapp unterhalb des von Gelbem Enzian umgebenen idyllischen Sees steht das Bivacco Facetti (2014 m) offen. Als einzige Übernachtungsgäste genießen wir die komfortable Selbstversorgerhütte (vollständig eingerichtete Küche, Toilette mit Wasserspülung, Schlafraum im Dachgeschoss für bis zu 20 Personn), die kunstvoll aus Holz geschnitzten Tiere und Figuren im Umfeld der Hütte und die Abendsonne auf der Sitzbank mit Blick ins Tal.

13. Bivacco Facetti – Sondrio (4,5 Stunden)

Von der Hütte steigen wir auf Fahrwegen und schönen Waldwegen (mehrmals kann man zwischen verschiedenen Routen wählen) zu den ersten Almen im Valle del Livrio und zum kleinen Weiler mit der historischen Kirche San Salvatore (1312 m) hinab. Von hier suchen wir uns mit Hilfe der Karte auf unserem Smartphone einen möglichst direkten Weg, zumeist auf ruhigen Waldwegen, in die Ortschaft Albosaggia Vecchia. Weiter geht es durch zunehmend vom Menschen geprägte Landschaft zum Flusslauf des Fiume Adda und an seinem Ufer nach Sondrio (360 m). Durch den Gürtel der Gewerbegebiete erreichen wir schnell den Bahnhof mit seinen guten Regionalzug-Verbindungen nach Lecco am Comer See und weiter nach Mailand oder Bergamo.