Vom Gran Paradiso zum Mont Blanc

Auf der Alta Via 2 hoch über dem Aosta-Tal

(September / Oktober 2011)

Der Fernwanderweg der Alta Via 2 führt durch die imposante Bergwelt südlich des Aostatales vom Nationalpark des Gran Paradiso (mit 4061 m der höchste, ganz auf italienischem Staatsgebiet stehende Berg) bis an den Fuß des Mont Blanc. Die Route führt immer wieder in die tief eingeschnittenen Seitentäler mit kleinen Orten hinab und überquert dazwischen bis zu 3300 m hohe Pässe. Dadurch werden eine Vielzahl unterschiedlicher Landschaften von sanften Talweiden über weite Bergwälder bis zu vergletscherten Gipfeln berührt. Bei guter Sicht hat man von vielen Pässen grandiose Panoramen mit den 4000ern der Westalpen. Für die gesamte, durchaus anspruchsvolle Tour muss man mit knapp zwei Wochen rechnen. Unterwegs kann man die Streckenwanderungen an zahlreichen Punkten unterbrechen und Tagestouren einbauen. Wir haben die Tour (wie im unten aufgeführten Wanderführer empfohlen - s. Literatur) durch einen landschaftlich besonders eindrucksvollen Umweg an die Grenze zum französischen Parc National de la Vanoise etwas abgewandelt.

Bei herrlichem Herbstwetter war die Wanderung ein anstrengendes und großartiges Erlebnis auf zumeist einsamen aber gut markierten und ausgebauten Wegen, bei der wir auch die Tierwelt in Form von Steinbock, Gämse und Murmeltier intensiv beobachten konnten.

Allgemeine Informationen

Beste Reisezeit

Juli bis Anfang Oktober;

An den bis zu 3300 m hohen Pässen ist bis weit in den Hochsommer hinein mit Schneefeldern zu rechnen. Bei unserer Tour Ende September / Anfang Oktober war die gesamte Route schneefrei. Dafür waren fast alle Berghütten sowie viele Unterkünfte in den Talorten bereits geschlossen.

 

Schwierigkeit

Die Alta Via 2 ist durchgehend gut markiert und an Wegekreuzungen ausgeschildert.

Die Tour stellt durch die großen Höhenunterschiede erhebliche Anforderungen an die Kondition und Fitness.

Einige Passübergänge sind auf kurzen Strecken etwas ausgesetzt, bei guten Bedingungen für erfahrene Bergwanderer aber unproblematisch.

 

Unterkunft

Die Etappen der Alta Via 2 enden jeweils in bewirtschafteten Berghütten (in der Regel nur von Mitte Juni bis Mitte/Ende September geöffnet) oder in Talorten mit Hotelunterkünften (viele schließen im September!). Eine Ausnahme ist die komfortable Selbstversorgerunterkunft mit großem Schlafsaal und Küche in Promoud.

Fast alle Hütten haben einen einfachen Winterraum, der frei zugänglich ist, wenn die Hütte nicht mehr bewirtschaftet wird.

Zelten ist im Nationalpark nicht gestattet. (Aber ein kleines Zelt an einem abgelegenen Bergsee ist ja nur ein Biwack - oder? ;-) )

 

Folgende Unterkünfte haben wir genutzt (Stand Herbst 2011):

Cogne: Residence Château Royal; ruhig mitten im Ort gelegen; moderne Ferienwohnungen unterschiedlicher Größe; Studio für 2 Personen ohne Frühstück 45 € / Nacht

Valsavarenche-Eau Rousse: à l´Hostellerie du Paradis; direkt an der AV 2; annehmbare aber etwas überteuerte Unterkunft; Halbpension 65 € / Person

Valgrisenche: Foyer de Montagne; bei unserem Besuch die einzige geöffnete Unterkunft im Ort und wir waren die einzigen Gäste (!); überdimensioniertes, seelenloses 100-Betten-Hotel mit überraschend freundlichem und bemühtem Personal; Halbpension 50 € / Person

Refugio Mario Bezzi; schöne Lage im oberen Valgrisenche; komfortable 3-Bett-Zimmer, warme Dusche, freundlicher Wirt, reichhaltiges Essen; Halbpension 42 € / Person

La Thuile: Ostello di La Thuile; direkt neben der Kirche; ganz neue Unterkunft mit einfachen, aber modernen Zimmern; Übernachtung m. Frühstück 28 € / Person

Aosta: Hotel Al Caminetto; ca. 15 min zu Fuß vom Zentrum; einfach und etwas abgewohnt aber sehr preiswert; 45 € pro Doppelzimmer mit recht gutem Frühstück

 

Literatur

  • Gran Paradiso, Alta Via 2 Trek and Day Walks; Gillian Price; Cicerone Guide (englisch; sehr guter und zuverlässiger Führer für die Alta Via mit zahlreichen zusätzlichen Tageswanderungen, die zu Unterbrechungen und Varianten der Tour einladen) 

 

Karten

  • Gran Paradiso / Valle d´Aosta 1:50.000; Kompass-Wanderkarte
  • Mont Blanc / Monte Bianco 1:50.000; Kompass-Wanderkarte

Vor Ort sind zahlreiche weitere detailliertere Karten der Region erhältlich.

 

 

Links

Ausführliche Informationen zur Alta Via 2 mit einem hervorragenden pdf-Flyer, in dem die Etappen ausführlich vorgestellt werden.

 

Die Etappen im Detail

24.09.2011

Von Champorcher zum Rifugio Miserin (+1130 m)

Ganz früh am Morgen fahren wir mit der Bahn von Turin nach Hône-Bard. Dort steigen wir in den Linienbus, der uns in Windeseile zur Endstation im kleinen Bergdorf Chardonnay auf 1450 m hinaufbringt. Direkt an der Bushaltestelle stehen die Wegweiser, die uns auf die Alta Via 2 leiten, der wir nun auf schönen Waldpfaden bergan folgen. Später lichtet sich der Wald und es geht über Hochweiden und an einigen teilweise verfallenen Almen vorbei. Kurz unterhalb des von außen nicht sehr einladenden Rifugio Dondena treffen wir auf eine Piste, auf der es nun weiter bergan geht. Später können wir einige weite Kehren auf alten Pflasterwegen abkürzen und erreichen am frühen Nachmittag den bereits 2580 m hoch gelegenen Lago Miserin, an dessen Ufer das schon geschlossene Rifugio und die eigenartige Kirche Madonna delle Nevi stehen. Wir haben für den ersten Tag genug geleistet, so dass wir beschließen, hier zu bleiben. Nach einem längeren Spaziergang um den See ziehen wieder tiefe Wolken in die Berge hinein. Der heimelige Winterraum der Hütte ist einladender als das Zelt, so dass wir uns hier einrichten.

25.09.2011

Vom Rifugio Miserin nach Cogne (+650 m; -1690 m)

Noch hat sich das angesagte schöne Herbstwetter nicht ganz durchgesetzt, als wir in einer guten Stunde zur Passhöhe des Finestra di Champorcher (2828 m) hinaufsteigen. Leider verschandeln riesige Hochspannungsmasten hier die Landschaft. Nun geht es hinab zum Rifugio Sogno Péradzà, vor dem wir eine kurze Rast einlegen und mit den zutraulichen Ziegen shakern. Ein kurzes Stück geht es auf der Piste bergab, dann biegen wir, weiter der AV 2 folgend, auf einen Pfad ab, der durch welliges Grasland führt. Dann beginnt schöner Nadelwald mit leckeren Blaubeeren im Unterholz. Im Vallon Bardoney entscheiden wir uns für den Umweg über die Alpe Bardoney und den Lago di Loie. Der schöne Weg an einem Wasserfall vorbei und später die weiten Blicke ins Tal lohnen die zusätzlichen Höhenmeter. Vom See geht es steil in den Wald hinab nach Lillaz (1610 m). Kurz vor dem Ort machen wir einen Abstecher zum beeindruckenden Wasserfall. In Lillaz lädt eine nette Bar zu einem Nachmittags-Cappuccino ein. Nun brauchen wir noch eine knappe Stunde zunächst auf Straße, dann auf Waldweg in den touristischen und trotzdem stimmungsvollen Ort Cogne (1540 m). Mitten im Ort haben wir in einem alten, schön renovierten Haus ein kleines Appartment für die kommenden zwei Nächte reserviert. Auf einer Wiese vor dem Ort beobachten wir noch die "Bataille de reines", typische herbstliche Kuhkämpfe, die als Volksfest begangen werden. Abends lassen wir uns in einer lebhaften Pizzeria bewirten.

26.09.2011

Tagestour auf die Punta Pousset (+1500 m; -1500 m)

Von Cogne bietet sich die Gipfeltour auf die markant über dem Tal aufragende, 3046 m hohe Punta Pousset an. Wir verlassen den Ort in Richtung Vanontey, überqueren den Fluss und steigen hier steil zunächt durch Wiesen, dann im Wald den Hang hinauf. An der Wegekreuzung bei der Almsiedlung Les Ors geht es weiter bergan zum kleinen Nationalparkhäuschen mit schönem Blick auf den Gipfel. Nun queren wir in ein weites Hochtal, in dem wir zahlreiche Gämsen beobachten können. An der verfallenen Alm Pousset superiori wird es wieder steiler und bald ist der Abzweig erreicht, wo wir dem schmalen, manchmal leicht ausgesetzten Pfad durch den steilen Grashang zum Grat unter dem Felsgipfel folgen. Die letzten Meter zum Gipfelkreuz erfordern einige Kraxelei, auf die wir verzichten. Doch auch so haben wir schöne Blicke zur Grivola und zum Mont Blanc der sich über der dünnen Wolkenschicht erhebt. Doch noch mehr faszinieren uns die mäjestitischen Steinböcke, die direkt am Grat grasen und in der Sonne liegen. Mit schönen Tiefblicken auf Cogne steigen wir schließlich auf dem Anstiegsweg wieder ab. 

27.09.2011

Von Cogne zum Lago di Lauson (+1110 m)

Wir wandern sanft ansteigend in knapp einer Stunde in den kleinen Ort Valnontay mit seiner Handvoll Hotels. Vorbei am gepflegten Alpengarten geht es dann den bewaldeten Hang zum Rifugio Vittorio Sella hinauf. Die Hütte wird gerade winterfertig gemacht, als wir von der AV 2 abzweigen und den Weg zum winzigen Lago di Lauson (2656 m) einschlagen, den wir nach einer guten halben Stunde auf gut erhaltenem Pflasterweg erreichen. Über das Tal hinweg blicken wir auf den vergletscherten Torre del Gran S. Pietro. Direkt am See finden wir ein kleines ebenes Fleckchen für unser Zelt - ein wirklich großartiger Biwackplatz.

28.09.2011

Vom Lago di Lauson nach Eaux Rousses (+750 m; -1740 m)

Zunächst kehren wir zum Rifugio Sella zurück und folgen der AV 2 durch die Hochweiden bergan. Der deutliche Pfad führt bald in eine immer kargere und steinigere Landschaft hinauf. Vor uns fallen in Richtung der Passhöhe des Col Lauson die hellen Kalksteinbänder der Punta del Tuf im Gipfelrund auf. An einer Wegegabelung halten wir uns der AV 2 folgend links und bald steigt der Weg in einem Schutthang stärker an. Kurz vor dem Pass sind einige schmale und ausgesetzte Wegstellen zu bewältigen, die bei den trockenen und schneefreien Bedingungen, die wir vorfinden, aber kein Problem sind. So haben wir wenig später bei herrlichem Wetter die 3299 m hohe Scharte des Col Lauson erreicht. Dies ist der höchste Punkt der AV 2. In der Ferne können wir die Eiskuppen des Monte Rosa Massivs ausmachen. Alpendohlen hoffen auf ein paar Krümel unseres Pausenbrots. Dann machen wir uns in weiten Kehren auf den Abstieg in das weite Leviona-Hochtal, in dem Steinböcke und Gämsen grasen und sich Murmeltiere auf den nahen Winter vorbereiten. An der Nationalpark-Hütte am Talausgang haben wir einen Blick in das tief eingeschnittene Valsavarenche. Der dann noch folgende Abstieg über 600 Höhenmeter durch schönen Nadelwald zieht sich etwas, bis wir den winzigen Weiler Eaux Rousses erreichen. Wir sind erfreut, das Gasthaus Hostellerie du Paradis geöffnet vorzufinden. Wir genießen als einzige Gäste das große Zimmer, die Dusche und das Abendessen, auch wenn der Preis für das Gebotene etwas hoch erscheint.  

29.09.2011

Von Eaux Rousses zum Col del Nivolet (+1140 m; -150 m)

Für die nächsten Tage verlassen wir die Route der AV 2 und machen einen Umweg, der uns durch die grandiose Bergwelt an der Grenze zum französischen Vanoise-Nationalpark führt. Von Eaux Rousses folgen wir der Straße ein kurzes Stück nach Süden und zweigen kurz bevor sie über eine Brücke auf die östliche Flussseite wechselt auf den schmalen Pfad ab, der uns steil im Wald bergauf zur verlassenen Alm Meyes di Sotto (2275 m) bringt. Nach einem weiteren Anstieg erreichen wir die ebenfalls langsam verfallenden Häuser vom Meyes di Sopre (2520 m) mit tollen Blicken auf den gegenüber aufragenden Gran Paradiso. Bald danach verflacht der Weg und führt durch das sanfte Hochtal Valle delle Meyes. Wir halten uns nach Süden und stoßen auf ein sehr schön erhaltenes Teilstück der alten gepflasterten Jagdwege. Am Wegesrand können wir mehrere stolze Steinböcke beobachten. Dann folgen wir dem Weg nach Süden in das Tal des Piano del Nivolet, wo wir auf eine breite Piste treffen, die uns zur Berghütte Rifugio Savoia bringt. Von der Hütte steigen wir nach Westen den Hang hinauf und erreichen die wellige Hochebene des Piani di Rosset, wo wir am Lago Leytaz (ca. 2650 m) einen schönen Zeltplatz finden.

30.09.2011

Vom Col de Nivolet zum Rifugio Benevolo (+470 m; -830 m)

Nach einer kalten Nacht, in der sich eine leichte Eisschicht an der Zeltinnenwand gebildet hat, wärmt uns die Morgensonne bald wieder auf. Der deutliche Pfad schlängelt sich nun durch die Seen- und Hügellandschaft mit schönen Blicken unter anderem zurück zum Gran Paradiso immer weiter hinauf. Erst kurz vor dem Pass wird es richtig steil, wenn man in zahlreichen Serpentinen eine aus der Ferne unüberwindlich erscheinende Wand hinaufsteigt. Doch die Mühen sind schnell vergessen, wenn man den 3023 m hohen Col Rosset erklommen hat. Auf einem Pfad kann man nach Süden einfach auf einen Hügel aufsteigen, der ein noch umfassenderes Panorama der umgebenden Berggipfel bietet. Auch der Abstiegsweg ist gut ausgebaut und unschwierig. Wenn man sich der Alm Grand Vaudalaz (2340 m) nähert, muss man aufpassen, den Abzweig linkerhand zum Rifugio Benevolo nicht zu verpassen. Man durchquert das Bett des aus dem Tal fließenden Baches und steigt am gegenüberliegenden Hang zu einem wunderbaren Aussichtspunkt in das Val di Rhêmes auf. Von hier ist es nun ein leichter Abstieg zum bereits sichtbaren Rifugio Benevolo (2285 m). Die Berghütte ist bei unserer Ankunft schon geschlossen, doch der einfache Winterraum bietet uns eine gute Übernachtungsmöglichkeit.

01.10.2011

Vom Rifugio Benevolo zum Rifugio Bezzi (+1050 m; -1060 m)

An Reimars Geburtstag brechen wir nach einem kurzen Frühstück vor der Hütte auf und steigen zügig zum Bergrücken, der das Hochtal der Comba di Goletta begrenzt auf. Der große Lago Goletta liegt bereits auf 2700 m und wird von der Pyramide der Granta Parei mit ihrem Gletscher überragt. Von hier an wird der Weg steiniger und immer steiler. Im Schlussanstieg zum Col Bassac Déré müssen wir einigen Restschneefeldern ausweichen. Doch dann stehen wir in 3082 m an der Passhöhe. Schon von hier ist die Aussicht beeindruckend, doch es kommt noch viel besser, als wir die schweren Rucksäcke zurücklassen und auf dem erstaunlich guten Pfad nach Süden weiter ansteigen und nach etwa 45 Minuten den Gipfel der Becca della Traversière (3337 m) erreichen. Bei perfekter Fernsicht ist das 360-Grad-Panorama auf die Gipfel und Gletscher ringsherum gewaltig. Wir können uns kaum satt sehen. Doch schließlich müssen wir wieder zurück zum Pass und den Abstieg nach Westen antreten. Zunächst ist der Weg zwar steil, doch problemlos. Dann kommt eine sehr schmale Passage, die uns mit dem schweren Gepäck zu unsicher erscheint, so dass wir sie talwärts umgehen und kurz darauf zum Weg wieder hinauf kraxeln. Dann geht es durch wüstenhaftes Moränengelände und bald kommt das Rifugio Bezzi (2280 m) tief unter uns in Sicht. Als wir dort ankommen, sind wir positiv überrascht. Die Hütte ist am Wochenende noch geöffnet, wir bekommen ein komfortables 3-Bett-Zimmer, die Duschen sind warm (!) und das Abendessen sehr üppig. Ein echter Geburtstagsschmaus für Reimar. 

02.10.2011

Vom Rifugio Bezzi nach Valgrisenche (+ 720 m-; -1340 m)

Nach den Hochgebirgseindrücken gibt es auf dem Weg nach Valgrisenche lieblichere, aber nicht weniger schöne Landschaftsbilder. Vom Rifugio Bezzi gehen wir zunächst auf gutem Pfad und später auf Schotterpiste ins Tal hinab. Kurz bevor sich das Tal weitet und der Stausee erreicht ist, zweigen wir nach rechts auf eine wieder ansteigende Piste ab. Ein Wegweiser bringt uns wenig später auf den Pfad, der nun steil im Wald mit mächtigen Lärchen zur noch bewohnten Alm Montagna di Mte. Forciaz hinaufführt. Nun geht es auf einem herrlichen Panoramaweg über einen Bergsporn weiter zur auch schon im Winterschlaf befindlichen Hütte Chalet de l´Epee (2370 m). Hier treffen wir auch wieder auf die Alta Via 2. Ihr folgen wir an der Bergflanke hoch über dem Tal und haben stets herrliche Blicke zur Testa del Rutor hinüber, die wir in den nächsten Tagen umrunden werden. Schließlich führt uns die AV 2 wunderbar durch den Wald und anders als im Wanderführer beschrieben direkt hinab nach Valgrisenche. Nachdem wir den verschlafenen Ortskern erkundet und in der Bar einen Cappuccino getrunken haben, suchen wir eine Unterkunft. Doch nur das unattraktive 100-Zimmer-Hotel Foyer de Montagne ist geöffnet. Wieder einmal sind wir die einzigen Gäste, dafür ist das wenige Personal sehr zuvorkommend und die Küche zaubert uns ein gutes Menu zum Abendessen.

03.10.2011

Von Valgrisenche zum Lac du Fond (+930 m; -150 m)

Durch die unteren Ortsteile von Valgrisenche geht es auf der östlichen Flusseite talauswärts. Auf Wald- und Feldwegen erreichen wir den Weiler Revers, von wo aus wir ein kurzes Stück auf der Straße nach Planaval gehen. Im kleinen Hotel Paramont legen wir eine Kaffeepause ein, bevor wir dem Sträßchen zur Häusergruppe von La Clusaz folgen. Kurz davor beginnt der gut ausgebaute Wanderweg, der sich mit herrlichen Blicken in der Steilwand über Planaval hinaufwindet. Als er schließlich verflacht, haben wir das Hochtal des Torrent de Planaval erreicht, an dessen Ufer wir unser Mittags-Picknick machen. Nachdem wir einige weitere Geländestufen erklommen haben, stehen wir vor der verfallenen Alm Baraques du Fond. Noch einmal 100 Meter höher liegt der Lac du Fond (2440 m), an dessen Ufer wir einen schönen Zeltplatz finden.

04.10.2011

Vom Lac du Fond nach Promoud (+400 m; -820 m)

Im ersten Sonnenlicht spiegeln sich die Gletscher des Rutor perfekt in unserem See. Nach dem Frühstück geht es sogleich steil, aber unschwierig bergan. Von einem Felsen beobachten uns einige in dieser Höhe (!) freilaufende Hausziegen. Dann ist der Col de la Crosatie (2838 m) erklommen und wir genießen wieder die gigantische Aussicht auf den Mont Blanc und die 4000er-Parade der Walliser Alpen. Der Abstieg ist zunächst steil, doch der Weg ist mit großen Steinplatten sehr gut ausgebaut. Zunächst geht es immer mit toller Aussicht zu einem Felssporn hinab, dann senkt sich der Pfad in das bewaldete Tal von Promoud (2020 m) hinab. Hier treffen wir auf das noch ganz neu wirkende Gebäude der im Sommer bewirtschafteten Alm und der angrenzenden Selbstversorgerhütte. Wir haben die einladende Küche und den großen Schlafsaal wieder für uns alleine. Den Nachmittag nutzen wir zu einem Spaziergang durch den lichten Lärchenwald und sammeln reichlich Blaubeeren als Nachtisch für das Abendessen.

05.10.2011

Von Promoud zum Rifugio Deffeyes (+840 m; -360 m)

Zunächst steigen wir durch den herbstlichen Lärchenwald auf, bis dieser abweisenden Schutthängen Platz macht. Doch der Pfad ist immer gut zu verfolgen und zügig klettern wir zur Passhöhe des Haut Pas (Passo Alto; 2860 m) empor. Vor uns liegen die türkisen Seen der Lacs des Ussellettes in der kargen Hochgebirgslandschaft. Der Abstieg führt in ein von einem ruhig dahinfließenden Bach durchzogenen Hochtal, das direkt auf das Rifugo Deffeyes zu führt. Von der Kuppe oberhalb der Hütte blickt man hinüber zum mächtigen Mont Blanc und in der anderen Richtung auf die großen Gletscher des Rutor. Um diesen näher zu erkunden, folgen wir ohne unser schweres Gepäck der Variante der AV 2 durch die Moränen am Nordrand des Gletscherfeldes. Dann steigen wir querfeldein zum Gletscherende hinab, wo ein Schmelzwasserbach aus einer großen Eishöhle in einen seichten See fließt - ein eindrucksvoller Ort. Auf einem mit Steinmännchen markierten Pfad kehren wir zum Weg zurück. In der nicht mehr bewirschafteten Hütte quartieren wir uns im Winterraum ein. Der Wirt hat noch einen Vorrat an Keksen, Schokolade und Wein hinterlassen, von dem wir uns gerne bedienen und unser Abendessen ergänzen.

06.10.2011

Vom Rifugio Deffeyes nach La Thuile (+150 m; -1210 m)

Die ersten Sonnenstrahlen tauchen die Gipfel des Mont Blanc-Massivs in ein orange-rotes Licht. Wir verlassen die Hütte und gehen an der nahen Kapelle vorbei hinab zu den großen Karseen. Dann queren wir auf manchmal nur schwer zu erkennendem Pfad hinüber zum Beginn des etwas abgelegenen Vallone di Bella Comba an der Grenze zu Frankreich. An den wunderbaren Seen im Talschluss machen wir eine ausgiebige Pause. Dann geht es zurück, bis wir wieder auf die AV 2 stoßen, der wir nun steil hinab in den Wald folgen. Kurze Abstecher bringen uns zu den eindrucksvollen Wasserfällen, in denen der vom Gletscher gespeiste Bach zu Tal stürzt. Nach mehreren wolkenlosen Tagen ziehen plötzlich Wolken hinter dem Mont Blanc auf. Ab dem Weiler La Joux verläuft der Weg parallel der Asphaltstraße und wir erreichen schließlich die unschönen von Baustellen und auf Skigäste wartenden Hotel- und Appartmentanlagen. Nur im kleinen Ortskern rund um die Kirche hat sich La Thuile etwas vom Charme des Bergdorfes bewahrt. Hier finden wir im neu eröffneten Ostello di La Thuile eine recht preiswerte Unterkunft. Als wir zum Abendessen gehen, hat es heftig zu regnen begonnen, und es wird unangenehm kalt. In der von Bauarbeitern, Touristen und Einheimischen gut besuchten, sympathischen Pizzeria La Grotta finden wir ein gemütliches Plätzchen und leckeres Essen.

07.10.2011

Von La Thuile zum Col de Chavannes und zurück (+1100 m; -1100 m)

Zwar hat der Regen über Nacht aufgehört, und die Wolken reißen ein wenig auf, doch als wir von La Thuile aufbrechen, weht bereits im Tal ein kalter Wind und die Berge rundum sind mit Neuschnee überzuckert. Durch Wiesengelände geht es bergauf und wir kreuzen mehrmals die Straße zum Kleinen St. Bernhard-Pass. Dann geht es auf einer Piste in den langgezogenen, unbewaldeten Taleinschnitt des Vallone di Chavannes. Der eisige Wind treibt Schneeflocken und Graupelkörner heran. Mit zunehmender Höhe wird es immer kälter und schließlich stapfen wir durch eine geschlossene Neuschneedecke. Im Schutz eines Viehunterstandes essen wir einige Kekse, doch warm wird uns nicht. Das Wasser in unseren Plastikflaschen beginnt zu gefrieren. Die Sicht wird immer schlechter. Der Höhenmesser zeigt, dass es nur noch weniger als 100 Höhenmeter zum Pass sein können, aber nach einigem inneren Ringen entscheiden wir uns umzukehren. Die Aussicht in der Soldini-Hütte, unserem eigentlichen Tagesziel, einzuschneien, ist uns doch zu unangenehm. Im Eilschritt geht es zurück ins Tal von La Thuile, wo für kurze Zeit wieder die Sonne hervorkommt. Am nächsten Tag hat sich das Wetter noch nicht gebessert. Unser Entschluss war richtig gewesen. Auf einem Höhenweg gehen wir meist durch Wald ins Aosta-Tal nach Pré St. Didier, wo wir nachmittags in den Zug nach Aosta steigen. Am Rest des Tages und am folgenden Vormittag bummeln wir durch die netten Einkaufsstraßen und besuchen die Kirchen und römischen Ruinen, bevor es mit der Bahn zurück nach Turin geht.

 

So haben wir unser Ziel, die Alta Via 2 bis zu ihrem Ende in Courmayeur zu gehen, nicht ganz erreicht. Doch es bleiben wunderbare Erinnerungen an eindrucksvolle Berglandschaften bei grandiosem Herbstwetter. Vielleicht ergibt sich einmal die Gelegenheit den kleinen Rest nachzuholen - in Verbindung mit der Alta Via 1?