Nationalpark Ordesa y Monte Perdido

Von Parzán ins obere Ara-Tal

27. Juni 2011: Parzán - Circo de Pineta

Neben dem Hostal Fuente beginnt der lokale Wanderweg, auf dem ich zunächst stets ansteigend durch den eigentlichen kleinen Ort Parzán und dann durch zumeist aufgelassene Felder in Richtung Chisagüés starte. Bald stößt man jedoch auf die kleine Straße und erreicht auf dieser bald den kleinen Weiler hoch über dem Río Real. Hier geht die Straße in eine Piste über, der ich lange in die immer alpiner werdende Landschaft des Barranco de Pietramula folge. In einer scharfen Rechtskehre im Talschluss verlässte der GR 11 die Piste und steigt als Pfad zur Passhöhe hinauf. Vom Wiesensattel des Collado de Pietramula (2150 m) hat man einen fantastischen Blick auf die gegenüberliegenden Felswände des Valle de Pineta, den Einschnitt des Collado Añisclo und das Massiv des Monte Perdido. Hier mache ich eine ausgiebige Mittagspause. Beim Abstieg gehe ich zunächst hinab in ein kleines topfebenes Tal und dann quer über hügeliges Weideland, bis sich der Weg - nun steiler, geröllig und rutschig - zu den Llanos de La Larri senkt. Hier stehen auf den Wiesen unzählige blaue Irisblüten. Als ich nicht auf die Markierungen achte, gelange ich zufällig auf den schönen Waldweg, der entlang des aus dem Tal von La Larri kommenden Bach verläuft, der in mehreren spektakuläten Wasserfällen und Kaskaden zu Tal stürzt. Dann erreiche ich den Talgrund und bald die Wiesenflächen am Straßenende, wo der in allen meinen Beschreibungen erwähnte Campingplatz lag. Die Auskunft in der Nationalpark-Information ergibt, dass dieser geschlossen wurde. Der nahe Parador ist mir zu teuer, so dass als Ausweichmöglichkeiten nur das bewirtschaftete Refugio de Pineta 1,5 km oder ein Campingplatz 5 km talabwärts bleiben. Das Refugio reizt mich bei dem schönen Wetter nicht und der Campingplatz ist mir zu weit, so dass ich am späteren Abend in einer versteckten Ecke des ehemaligen weitläufigen Zeltplatzgeländes mein Zelt aufbaue.

 

28. Juni 2011: Circo de Pineta - Llano Tripals

An diesem Tag habe ich mal wieder ein paar Varianten zum GR 11 eingeplant. Die erste Hälfte des extrem steilen 1200m-Anstiegs zum Collado Añisclo möchte ich mit dem kleinen Umweg über die Faja de la Tormosa reizvoller gestalten. So steige ich, nachdem ich schon früh mein Zelt abgebaut habe, auf dem zum Lago Marboré ausgeschilderten Weg in den Circo de Pineta an. Zunächst geht es durch dichten Wald, dann wird der Blick auf die Wände des Felskessels und die zahlreichen Wasserfälle frei. Bald zweigt mein Weg zur Faja de la Tormosa und zur Cascada Cinca (oder Marboré) ab. Ein Schild an der Abzweigung gibt den Zustieg zur Faja de la Tormosa wegen fehlender Brücke über den Cinca-Bach als gesperrt an. Das wäre unangenehm für mich, hieße es doch, den ganzen bisherigen Aufstieg wieder zurückzugehen und den regulären GR 11 zu nehmen. Am Fuß der wunderbaren Cascada Cinca, den im Morgenlicht ein Regenbogen schmückt, sehe ich, dass der Steg tatsächlich nur die eine Hälfte des Bergbaches quert. Doch der Rest ist problemlos zu durchwaten. Wenig später folgt die nächste Herausforderung in Form einer kurzen, mit einer Stahlkette ausgestatteten Kletterstelle, die ich auch mit dem großen Rucksack schnell überwunden habe. Schöne Edelweiß-Blüten stehen zahlreich neben anderen Blumen am schmalen Pfad, der nun ohne Schwierigkeiten weiter ansteigt und dann in einen fast ebenen Panoramaweg im Grashang hoch über dem Talgrund übergeht. Nach diesem genussvollen Abschnitt stoße ich auf den GR 11, der im steilen Fels- und Geröllhang zum Collado Collado Añisclo hinaufführt. Von einem echten Weg ist kaum zu reden und der Aufstieg ist ziemliche Schufterei. Doch schließlich ist der 2450 m hohe Übergang erreicht. Nach einer Mittagspause geht es nun deutlich bequemer entlang immer wieder über Felsstufen stürzender Kaskaden in die oberen Añisclo-Schlucht hinab. An der Fuen Blanca, wo der GR 11 nach Westen zum Refugio de Góriz abzweigt, entschließe ich mich zu einem weiteren kleinen Abenteuer und gehe weiter auf dem Wanderweg in den Cañon Añisclo hinab. Über dem Pass brauen sich dunkle Gewitterwolken zusammen, während in der Schlucht weiterhin die Sonne scheint. Nach etwa einer Stunde überquere ich den Fluss am Schluchtgrund auf einer Brücke. Nach meiner Karte beginnt hier eine Aufstiegsmöglichkeit zum Schluchtrand und zum unbewirtschafteten Refugio de la Capradiza. Es gibt auch einen Mut machenden Wegweiser. Doch gleich danach muss ich Stahlstifte und -seile an der Schluchtwand zur Hilfe nehmen, um am Fels über dem rauschenden Bach entlangzuhangeln. Dann gibeginnt ein mit Steinmännchen markierter immer schmaler werdender Pfad, der am Schluchtrand ansteigt. Bald scheint er sich zu verlieren und ich stehe inmitten von Brennnesseln, finde aber doch wieder den Anschluss. Die Pfadspur ist immer zugewachsener, je weiter ich mich dem Plateaurand nähere. Mehr durch Zufall finde ich eine alte Bogenbrücke über den Barranco de la Capradiza und dann das als Schäferhütte genutzte Refugio auf der Hochebene Llano Tripals. Es ist niemand dort, so dass ich mich hier für die Nacht einrichte. Einen geeigneten Zeltplatz hätte ich im welligen mit hohen Gras bewachsenen Gelände kaum gefunden. In der Dämmerung liege ich bei offener Tür schon im Schlafsack, als ich Schritte und dumpfe Stimmen höre. Ich schaue aus der Hütte, sehe aber zunächst niemanden, doch das hohe Gras bewegt sich und bald tauchen die schwarzen Rücken eines Rudels Wildschweine mit zahlreichen Frischlingen auf. Ich beschließe, doch lieber die Tür zu schließen. Mitten in der Nacht bemerke ich, dass die Dunkelkeit immer wieder in kurzer Folge von hellem flackernden Licht unterbrochen wird. Das Wetterleuchten eines aufziehenden Gewitters, das wenig später direkt über das schützende Dach meiner Hütte zieht. Die armen Wildschweine. 

 

29. Juni 2011: Llano Tripals - Torla

Um wieder auf den GR 11 zu gelangen, gehe ich von meiner Unterkunftshütte zunächst wieder über die kleine Brücke und danach weglos über die grünen Hügel des Plateaus in Richtung Norden. Ich gewinne etwas mühsam aber stetig an Höhe und habe zurück schöne Blicke in den tiefen Einschnitt des Cañon Añisclo. Kurz vor der Collata Arrablo stoße ich auf den GR und habe kurz darauf vom Pass Aussicht auf den Ordesa Canyon. Leider ziehen nun zunehmend Wolken auf. Ich steige auf gutem Weg zur geschäftigen Góriz-Hütte hinab und folge dem GR weiter in den Talschluss des Circo Soaso. Fast an seinem Grund angekommen zweige ich auf den Weg zur Faja Pelay ab. Diese aussichtsreiche Alternative zum GR im Talgrund führt auf einer Geländestufe in der Steilwand des Valle Ordesa entlang. Der Weg ist durchgehend einfach und verläuft teilweise sogar im Wald. Die tiefer hängenden Wolken verhindern meist die grandiose Aussicht auf die gegenüberliegende Canyon-Wand, doch für kurze Zeit ist die Brecha Rolando, ein markanter Einschnitt im Pyrenäen-Hauptkamm, zu erkennen. Auf der steilen Senda de los Cazadores steige ich in unzähligen Kehren zügig die gut 600 m im den Talgrund ab und habe dann noch gut 1,5 Stunden auf dem Camino de Turieto, der meist durch schönen Wald führt, vor mir, um nach Torla zu gelangen. Es ist bereits 18:30 Uhr als ich nach einem langen Tag den touristischen, aber trotzdem sehr angenehmen Bergort erreiche. In einem kleinen zentralen Hotel bekomme ich ein günstiges Zimmer und abends lasse ich mich vom hervorragenden Menu im Restaurant La Brecha verwöhnen.  

 

30. Juni 2011: Torla - oberes Ara-Tal

Nach dem Einkauf in einem der Supermärkte Torlas verlasse ich den Ort wieder in Richtung Norden auf dem Wanderweg ins Ordesa-Tal, zweige aber bald zur Puente Navarros ab. Hier biege ich auf die Piste nach Bujuraelo ein und gehe auf ihr, bis sie über eine Brücke auf die Westseite des Río Ara wechselt. Ich bleibe aber auf der Ostseite, wo ein schöner Waldpfad beginnt, der mich durch das Enge Tal bis nach Bujaruelo mit seinem Campingplatz, dem Refugio und einer schönen Bogenbrücke führt. Der GR verläuft nun angenehm im sich weitenden Tal am Fluss entlang, an dessen Ufer ich eine Picknickpause mache. Kurze Zeit später mündet der Weg in eine Piste, die ansteigt und in der Felswand durch eine schluchtartige Engstelle des Tals führt. An einer kleinen Hütte endet schließlich die Piste und die Landschaft des oberen Ara-Tals wird wilder. Kurz hinter einer weiteren Hirtenhütte, werden die Markierungen schlechter und ich lasse mich von einer Brücke über den Ara-Bach verleiten, ein Stück in den Barranco Espelunz aufzusteigen. Wegspuren von weidenden Kühen tragen zu meiner Verwirrung bei. Bald erkenne ich meinen Irrtum und ich kehre ins Ara-Tal zurück. Da ich aber etwas Zeit verloren habe, beschließe ich, etwas früher als geplant zu zelten und baue mein Zelt im oberen Ara-Tal unter der Südwand der Vignemale auf.