Valle de Tena

Vom oberen Ara-Tal nach Canfranc Estación

1. Juli 2011: Oberes Ara-Tal – Ibón Azul

Über Nacht ist eine Herde Rinder bis zu meinem Zeltplatz heraufgekommen und beäugt mich neugierig beim Frühstück. Bereits kurz nach meinem Aufbruch zweigt der GR 11 nach Westen aus dem Haupttal ab und steigt zu den kleinen Bergseen Ibons deras Batáns an. Etwas unterhalb hätte es auch schöne Zeltmöglichkeiten auf einem Wiesenplateau gegeben. Vom oberen See geht es durch den steiler werdenden Geröllhang zum Cuello de Brazato (2550 m) hinauf. Die Aussicht über das weite Valle de Tena und zu den nahen Picos de l´Infiernios ist herrlich. Von der Passhöhe geht man nicht zu den unterhalb gelegenen Seen hinab, sondern quert auf gleicher Höhe den Hang, um über einen Sattel zum großen aufgestauten Ibón dero Brazato (2360 m) abzusteigen. Hier beginnt ein recht gut ausgebauter, aber steiniger Weg, der in weiten Kehren ins Tal führt. Bald kommt tief unter mir der große Hotelkomplex von Baños de Panticosa in Sicht. Kurz bevor ich den Talgrund erreiche, stoße ich auf einen Abzweig, der mir einige Höhenmeter Ab- und Wiederaufstieg erspart und mich am Hang hinüber zu meinem weiteren Weg bringt. Unterwegs mache ich einen kleinen Abstecher zu einem angelegten Aussichtspunkt auf die Cascada del Pino, wo ich im Schatten einiger Bäume meine Mittagspause verbringe. Dann erreiche ich einen engen Taleinschnitt, in dem der Pfad über Felsstufen steil bergan verläuft. Kurz danach verflacht der Weg und ich stoße in einen Felskessel vor, an dessen Westseite ich schließlich in Serpentinen wieder kräftig an Höhe gewinne. Bald ist ein erster See erreicht, hinter dem sich die Staumauer des Ibón de Bachimaña erhebt. Hoch über seinem Westufer führt der Weg dann bis zu seinem Zulauf. Dort wende ich mich nach Westen und folge dem GR 11 zum Ibón Azul Bajo. Eine Geländestufe höher liegt direkt am Fuß der Picos de l´Infiernos der Ibón Azul Alto (2410 m), der seinem Namen mit seiner blauen Oberfläche alle Ehre macht. Eine große ebene Grashalbinsel ist wie ein riesiger Campingplatz, auf dem sich mein kleines Zelt fast verliert. Einer der schönsten Übernachtungsorte meiner Reise.

 

2. Juli 2011: Ibón Azul – Sallent de Gállego

Wieder habe ich Glück mit dem Wetter, als ich bei wolkenlosem Himmel zum höchsten Punkt meines Trekkings aufbreche. Der Anstieg zum Cuello de l´Infierno (2720 m) ist steil und führt über Block- und kurze Restschneefelder, doch nach einer guten Stunde ist der Pass erreicht. Hier deponiere ich meinen Rucksack und breche auf zunächst gut mit Steinmännchen markiertem Weg nach Süden in Richtung der hoch aufragenden Picos de l´Infiernos auf. Bald teilt sich der Weg in mehrere Pfadspuren auf und die Steinmännchen sind nicht mehr eindeutig. Kraxelnd erreiche ich einen Vorgipfel mit wunderbarem Rundumblick. Der Aufstieg auf die Hauptgipfel wäre von hier aus eine leichte Klettertour. Angesichts des restlichen Tagesprogramms verzichte ich darauf und steige zum Pass hinunter, wo sich Bergsteiger und Wanderer aus allen Richtungen ein Stelldichein geben. Die kurze Querung zur Scharte des Cuello Tebarrai (2780 m) ist schnell vollbracht. Der Abstieg nach Norden verläuft ein kurzes Stück in einer steilen rutschigen Rinne und wird durch eine große Gruppe entgegenkommender Spanier erschwert. Doch dann habe ich wieder festen Grund unter den Füßen und gehe zügig zum idyllischen Ibón de Llena Cantal hinab. Im nächsten kleinen Tal mache ich auf großen glattgeschliffenen Granitfelsen eine ausgiebige Pause. Wenig später teilt sich der GR in zwei Varianten. Rechts geht es zum Refugio de Respomuso, ich entscheide mich aber für den linken Weg der mich am Südufer des Embalse de Respomuso entlangführt. Unterhalb der gewaltigen Staumauer quere ich das Tal und komme wieder auf die Hauptroute von der Hütte, auf der ich nun auf aussichtsreichem Hangweg in das Tal des Río Aguas Limpias absteige. Der Weg bis Sallent de Gállego (1300 m) ist noch lang, führt aber zumeist auf angenehmen Pfaden durch das schöne, grüne Tal. Am späten Nachmittag erreiche ich den angenehmen Ort und finde in der Ortsmitte im Hostal Centro ein nettes Zimmer.

 

3. Juli 2011: Sallent de Gállego - Ibóns d´Anayet

In der Nacht hat es länger geregnet, im Laufe des Morgens lockert es jedoch wieder auf. Auf dem GR 11 wandere ich durch unspektakuläres Acker- und Weideland zum Wintersportort Formigal mit seinen Appartmentblocks hinauf. Hier stößt mein Weg auf die breite Passstraße C-136, der ich nun 3 km in Richtung Frankreich folge. Die Skipisten und Liftanlagen von Formigal tragen nicht zu einem ansprechenden Landschaftsbild bei. Dies ist der unattraktivste Abschnitt meiner gesamten Tour. Am Corral Las Mulas (Zufahrt zu den Liftanlagen Anayet) verlasse ich die Hauptstraße und gehe kleine Asphaltstraße zur Skistation hinauf. Zwar ist sie keine Augenweide, doch kommt sie mir gerade recht um Schutz vor einem heftigen Regenschauer zu bieten. Hier finde ich auch wieder Markierungen des GR 11 und die Landschaft wird wesentlich schöner, als es entlang eines kleinen Baches auf gutem Pfad bergauf geht. Nach knapp eineinhalb Stunden ist das weite Plateau mit den Anayet-Seen (2220 m) erreicht. Spektakulär erhebt sich dahinter, bereits auf französischem Staatsgebiet die Pyramide des Pic du Midi d´Ossau. Am Nachmittag ziehen immer dichtere Wolken heran, so dass ich auf die geplante Besteigung der Vértice de Anayet verzichte. Auf einer der vielen ebenen Grasflächen baue ich mein Zelt auf und nach meinem Abendessen beginnt es zu regnen.

 

4. Juli 2011: Ibón d´Anayet - Canfranc

Die ganze Nacht über haben die Regentropfen auf die Zeltplane geklopft und auch am nächsten Morgen bessert sich das Wetter nicht. Ich bleibe lange im Schlafsack liegen und lese, doch schließlich packe ich ernüchtert die nasse Ausrüstung zusammen und beginne den Abstieg in das wolkenverhangene Tal des Canal  Roya. Der Weg ist aufgeweicht und rutschig. Doch ich komme rasch voran und als ich um die Mittagszeit Canfranc erreiche, kämpfen sich die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke. In einem gut besuchten Café/Restaurant an der wenig einladenden Hauptstraße bestelle ich ein Mittagsmenu und bin hellauf begeistert vom guten Essen und der zugehörigen Flasche Rotwein, mit der ich das glückliche Ende meiner großartigen Trekkingtour begieße. Dann schaue ich mir noch das gewaltige, aber stillgelegte Bahnhofsgebäude, den ehemaligen Eisenbahntunnel nach Frankreich und andere langsam verfallene Bahnanlagen an. In der Nachmittagssonne trockne ich am Ortsrand das nasse Zelt. Dann ist es Zeit, auf dem einzig noch betriebenen Bahnsteig den zweimal täglich verkehrenden Nahverkehrszug zu besteigen, der mich in einer halben Stunde in die schöne Kleinstadt Jaca bringt. Mit einem Stadtbummel durch die Altstadt mit der schönen Kathedrale und zur Festungsanlage beende ich meine Tour durch die zentralen spanischen Pyrenäen.